Die Wendelinuskapelle und Kirchengeschichte von Essingen
von Wilfried Schweikart, Essingen
Ein besonderes Baudenkmal für unsere engere Heimat ist die Wendelinuskapelle. Bereits um das Jahr l000 wird sie in der Urkunde Nr. 316 des Klosters Weißenburg als Oberessinger Kirche erwähnt. Egeno von Kirrweiler hatte den Kirchenzehnten vom Kloster Weißenburg zum Lehen. Weil die Wendelinuskapelle nicht wie geplant vergrößert wurde, sind die wertvollen Wandmalereien aus dem l5. Jahrhundert bis in unsere Zeit erhalten geblieben. Rudolf Fendler, Landau, und Joachim Glatz, Mainz, haben diese Seccomalereien ausführlich beschrieben. Die ausführlichen Texte beider Verfasser werden separat dargestellt. Eine Frage könnte in diesem Zusammenhang beachtenswert sein: Wenn der bisher unbekannte Maler die Szenen aus dem Leben Jesu in unsere Heimat verlegt hat, (das Logelfässchen am Baum spricht dafür), dann könnten sich noch mehr Details aus dem Essingen des 15. Jahrhunderts auf den Malereien befinden. Z. B. könnte der schlafende Joseph, unter einem Baum des Schlossgartens liegend, im Hintergrund die Türme des Schlosses, an der Ostwand die Arkadenbogen und der Mosaikfußboden vom Schloss zu sehen sein. Vielleicht kann auch die Erforschung der Essinger Geschichte noch etwas mehr Licht in das Dunkel des Mittelalters bringen.
Der Bau eines Nebengebäudes bei der Wendelinuskapelle ist, nach dem Abschluss der Sanierungsarbeiten der Kapelle selbst, ein weiterer Schritt mit dem Ziel, dieses als „Kleinod der Südpfalz“ bezeichnete Baudenkmal für die Nachwelt zu erhalten und einer sinnvollen Nutzung zuzuführen. Die Einweihung des Nebengebäudes war der Anlass für den Verfasser, sich näher mit der Entstehung und dem Schicksal der Kapelle, zumindest bis zum Turennischen Krieg unter Ludwig XIV. zu befassen.
Die Geschichte der Wendelinuskapelle
Die heutige Wendelinuskapelle ging aus der ursprünglich als Filialkirche von Niederessingen errichteten Kirche von Oberessingen hervor. In Essingen sind nur sehr wenige Baudenkmäler aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg erhalten geblieben. Insofern ist die heutige Wendelinuskapelle mit ihrer Bausubstanz aus dem 13. – 15. Jahrhundert ein wichtiger Zeitzeuge der Essinger Geschichte.
Die Baulast an beiden Essinger Kirchen dürfte anfangs dem Benediktinerkloster Weißenburg als Zehntinhaber zugekommen sein. Als eines der ältesten Reichsklöster war dieses Kloster schon im 7. Jahrhundert, also in fränkisch-merowingischer Zeit gegründet, und, um die Christianisierung zu fördern, mit Reichslehen bedacht worden. Zu diesen Reichslehen dürfte auch Essingen, oder wie es damals hieß, Ossingen, gehört haben. Die Ausgrabungen im Jahr 1989 durch die Denkmalpflege Speyer belegen dies: Ein ausgedehntes Gräberfeld, südlich des heutigen Friedhofs, aus der Zeit der fränkischen Landnahme (bzw. sogar der alemannischen) beweist, dass Essingen schon in vorchristlicher Zeit eine stattliche Dorfgemeinschaft war. Aus einer den Sachstand des ausgehenden 10. Jahrhunderts wiedergebenden Urkunde im Codex Edelini Nr. 311 berichtet Edelin, der Abt des Klosters Weißenburg: Otto von Worms, der Herzog von Rheinfranken (ein Neffe von Kaiser Otto III.) habe die Abtei Weißenburg mit Waffengewalt niedergeworfen. Sodann habe er eine Reihe von Klostergütern eigenmächtig seinen Freunden zu Lehen gegeben. Unter den 68 Orten befand sich auch „unser Gut zu Ossinga“, wie Edelin schreibt. Dies geschah im Jahr 991.
Die Lehensträger und Zehntinhaber
Wenig später, in der Urkunde Nr. 316, wird zum ersten Mal die obere Kirche zu Essingen erwähnt: Abt Edelin schreibt: „Egeno von Kirrweiler hat zu Lehen den Zehnten der oberen Kirche zu Ossingen“, so dass wir annehmen können , dass bereits um das Jahr 1000 eine Kirche in Oberessingen stand. Der Lehensträger Egeno von Kirrweiler wird also zu den von Abt Edelin erwähnten Freunden des Herzog Otto von Worms gehört haben.
Die Entstehung der Pfarrei und damit auch der Kirchenbau ist also weitgehend dem Einfluss des Klosters Weißenburg zuzuschreiben. Aber auch die Aktivitäten des auf Ortsherrschaft bedachten Niederadels der Umgebung spielten dabei eine große Rolle. Mit der wachsenden Bevölkerungszahl und der finanziellen Ausstattung der Pfarrei wuchs auch die Selbstständigkeit der Oberessinger.
lm Jahr 1309 war der Kirchensatz der Oberessinger Kirche immer noch im Lehen des Klosters Weißenburg, als Afterlehen aber in der Hand Eberhardts von Altdorf. Abt Egidius gestattete diesem die Vererbung des Lehens auf seine Schwiegersöhne Johann von Meckenheim und Jakob Lischer von Deidesheim. Im Jahr 1399 hatten die Brüder Symund, Ulrich und Heinrich von Zeiskam sowie die Brüder Heilmann und Georg, genannt Schnittlauch, dieses Recht inne. Diese Edelknechte hatten auch das Kollaturrecht, d. h. den Pfarrer vorzuschlagen, der dann vom Speyerer Bischof eingesetzt wurde. Es scheint eine stattliche materielle Grundlage der Pfründe gewesen zu sein, die die Begehrlichkeit der Adelsfamilien weckte. Im Jahr 1324 zinst z. B. der ehemalige Hof des Ritters Stockel 4 Heller, einen Eimer Öl, 5 Schillingheller in die obere Kirche und 4 Schillingheller den 4 Priestern. Durch Schenkungen und Verschreibungen von Seelenmessen für Verstorbene an die Kirche wuchs die Pfründe weiter an.
Die Ritter Eberhard von Ramberg und seine Vettern Hugo und Werner von Ramberg hatten bereits im Jahr 1351 Zehntanteile in Essingen. Aber auch die von Zeiskam konnten sich behaupten. Im Jahr 1515 und 1546 wurde ihnen durch den Abt von Weißenburg ein Teil des großen und kleinen Zehnten und der Kirchensatz verliehen. Bei einer größeren Reparatur an der Wendelinuskapelle im Jahre 1546 war jeweils 1/6 der beiden Zehnten, von den Junkern von Ramberg stammend, in den Händen des Jakob Burckhardt von Deidesheim und der hiesige Pfarrer verfügte über 1/3. Ein Sendspruch setzte damals fest, dass „die Zehntherren das Langwerk zu decken schuldig“ waren. Der Ortsherr Balthasar von Rosenberg, der gleichzeitig auch Oberamtmann des Bischofs von Speyer zu Lauterburg war, verglich den Pastor und die Gemeinde mit Jakob Burckhardt d. A. von Deidesheim so, dass dieser einen fälligen Beitrag für die Dachreparatur leisten müsse, die Verpflichtung aber für künftige Zeiten mit 15 fl abgelten könne. Die Baulast am Turm aber lag beim Pfarrer und der Gemeinde.
Das Kirchengebäude und die Verwaltung
Die heute profanierte sogenannte Wendelinuskapelle könnte aus dem 13. Jh. stammen und war mit prächtigen Wandmalereien versehen, die aber an anderer Stelle beschrieben werden sollen. Der Turm entstand wohl erst um die Mitte des 15. Jh. Sein Untergeschoß diente als Chor und wurde zu dieser Zeit mit Szenen aus dem Marienleben ausgemalt. Bereits 100 Jahre vorher dürfte die Oberessinger Kirche gut ausgestattet gewesen sein, denn bei der Landeskapiteltagung im Jahr 1345 mussten die sechs nächsten Priester zum Zelebrieren bereit sein. Es waren die Priester von Dammheim, Bornheim, Knöringen, Oberessingen und die Leutpriester von Niederessingen und Oberhochstadt.
Wie aus einer Provisionsbulle Papst Eugen IV. aus dem Jahr 1436 hervorgeht, stand in der Oberessinger Kirche der Hochaltar Beatae Mariae Virgini „Unserer lieben Frau“, also ein Marienaltar. Das Gedenkblatt zur Feier der Einweihung der neuen kath. Kirche in Essingen im Jahr 1929 bietet viele nützliche Informationen, verwechselt aber die Patrozinien der Kirchen in Ober- und Niederessingen (S. 9-11). Am Triumphbogen stand noch ein zweiter Altar mit dem St. Wendelinusstipendium. Letzterer existierte 1496 schon, um 1470 aber noch nicht. Im Jahr 1499 wurde die Pfründe mit der Frühmeßpfründe am Jodokusaltar in der Kirche zu Niederessingen vereinigt. Das Verleihungsrecht hatten die Ortsherren von Rosenberg. An dem Wendelinusaltar mussten vom Frühmesser 3 Messen gesungen werden. Gemäß einer Stiftung hatte ein Priester wöchentlich eine bestimmte Anzahl von hl. Messen zu lesen. Das Pfarrgehalt setzte sich zusammen aus 1/3 des Großzehnten, aus liegenden Gütern und den Stolgebühren, die einem Geistlichen für bestimmte Handlungen, z. B. Taufen, Trauungen und Beerdigungen, zustehen. Die Bruderschaft b. Mariae v. wurde in der Amtszeit des Generalvikars Peter vom Stein 1466 – 1479) bestätigt.
Insgesamt 4 Priester aus Essingen und Bornheim hatten an den Quatembermittwochen die Totenvigilien und eine Muttergottesmesse zu singen. Dazu mussten 3 Messen für die Verstorbenen gelesen werden. Den Mitgliedern waren an diesen Tagen Andachtsübungen auferlegt. Die Aufnahmegebühr in die Bruderschaft betrug ein Pfund Wachs und 10 Pfennig, der Beitrag, der alle Fronfasten zu entrichten war, betrug 3 Pfennig. Sechs Prokuratoren nahmen die Verwaltung der Gelder wahr.
Die Pfarrer vor der Reformation
In dieser Zeit waren in Oberessingen folgende Pfarrherren tätig, wobei aus den dürftigen Unterlagen nicht immer klar hervorgeht, ob es sich nicht
vertretungsweise um den Niederessinger Pfarrer handelte oder ob der erwähnte Pfarrer für beide Pfarreien zuständig war:
1253 Heinrich, Pleban.
1279/1280 Cuno bzw. Peter, Pleban.
1345 plebanus inferioris Ossingen (Name wird nicht erwähnt).
1357 Berthold, Pfarrer.
1367 u. 1381 Johannes Ullin u. Peter.
1391 Siegfried Berlin, Pastor.
Bis 1399 Heinrich von Otterbach.
Seit 1399 Eckebert, genannt Beyer von Minfeld.
1410 Peter Walther, Pastor.
1420 Peter Klingenhart.
1432 Claus Rode, Pastor.
1435, bis 1450 Johannes Textor
(Weberlin, s. unten Grabdenkmäler in der Wendelinuskapelle).
1461 Johannes, genannt Hatzenbühell.
1475 Johann Swab.
1477/1478 Johann Müller.
1492 Jodokus Offmann, Vikar.
1494 Wendell Pistoris, Kaplan.
1497, bis 15o6 Nicklaus Hammelmann,
(Sein Grabdenkmal ist in der Niederessinger Kirche).
Bis 1507 Johann Pfiffer, Pastor.
Bis 1537 Johann Hoffmann.
1537 Peter Craffthonis, Pfarrvikar.
1541 Bernhard Hiser.
1549 Jost Baum.
1554 Mathias Opp, Pfarrer.
Essingen wird evangelisch lutherisch
Das 16. Jahrhundert brachte mit der Reformation und dem vom Landesherrn verordneten Glaubenswechsel große Veränderungen für die Essinger, aber auch für die Wendelinuskapelle mit sich. Essingen und seine Bewohner wurden mit ihrem Ortsherrn Johann Christoph v. Rosenberg alle ev. lutherisch. Da die Rosenberger Lehnsleute des Kurfürsten von der Pfalz waren ist anzunehmen, dass unter Kurfürst Ottheinrich von Heidelberg aus im Jahre 1556 die neue Glaubenslehre eingeführt wurde und die Essinger getreu dem Grundsatz:“ Cuius regio, eius religio“ ev. luth. wurden. Am 2. Mai 1559 war Zacharias Conradius v. Stetten als luth. Pfarrer von Essingen bereits ernannt. Er war bisher Helfer des Weißenburger Reformators Georg Keß, Pfarrer zu St. Michael, gewesen. Der Wappenstein mit seinen Initialen ist noch heute in Essingen am Haus Nr. 40 in der Gerämmestraße zu sehen.
In dieser ersten Zeit der luth. Religion in Essingen dürften auch gravierende Veränderungen in der Wendelinuskapelle durchgeführt worden sein. Nach den Lithurgievorstellungen der Lutheraner konnte die bisherige Innenausstattung des Kirchenraums nicht mehr genehm sein. Man wollte einen einfachen nüchternen Betsaal und übertünchte kurzerhand die umfangreichen Malereien an den Wänden des Chores und des Langhauses mit einer dicken Kalkschicht. Diese Kalkschicht hat zum Glück die Wandmalereien darunter konserviert und dadurch eine Restaurierung in unserer Zeit möglich gemacht. Pfarrer Conradius starb hier nach etwa 25-jähriger Tätigkeit als geachteter Seelsorger der Gemeinde. In einem Akt vom 6. April 1584 der Archivabteilung „Geistliche Güteradministration“, erscheint sein Nachfolger als Essinger Pfarrherr, Daniel Michael. In einer Verzichtserklärung bezüglich der Frühmeßgüter von Niederessingen durch die 3 Kinder des Pfarrers Zacharias Conradius, besiegelt der Pfarrer von Oberessingen, Marx Bechtold, diesen Akt vom 8.1.1589.
In einem Landauer Kirchenbuch wird ein Essinger Pfarrer anno 1598 Daniel
Speyerer, genannt, zuvor Pf. in Dammheim und Bornheim. Magister Johannes Phyldius wird 1604 sein Nachfolger. Er war bis zu seinem Tod im Jahr 1617 in Essingen Pfarrer. Seine Grabplatte hat an der Südwand im Turm der Niederessinger Kirche einen würdigen Platz gefunden, nachdem sie seit dem Jahr 1700 als Fundament für eine Kreuzigungsgruppe missbraucht und beschädigt worden war. (s. Jahrbuch des Kreises SÜW 1987, S. l02 ff.: “Zur Geschichte der Grabdenkmäler in der Prot. Kirche in Essingen“, von W. Schweikart.)
lm Jahr 1618 kamen gleich zwei neue Pfarrer nach Essingen: nach Niederessingen Johann Christoph Franck und nach Oberessingen Johann Heinrich Steiderle, ein Schuhmacherssohn aus Landau, der auch von seinem Sohn Johann Heinrich Steiderle unterstützt wurde. Wie es diesen Essinger luth. Pfarrern während des 30-jährigen Krieges erging, spiegelt auch in etwa das Schicksal der beiden Essinger luth. Gemeinden während dieser schlimmen Zeit wider.
Die Rekatholisierung im 30-jährigen Krieg
Der Pfälzer Kurfürst Friedrich V. verließ sein Land, um als König von Böhmen die prot. Sache zu unterstützen. Nachdem aber schon die erste Schlacht gegen die kath. Verbündeten verloren ging, besetzten Bayern und Österreicher sein Land. Dadurch konnte die Rekatholisierung langsam aber sicher auch in Essingen fortschreiten, besonders natürlich unter den inzwischen kath. Ortsherrn, den Freiherrn von Dalberg. Nach dem Tode des letzten Rosenbergers Johann Christoph (sein Grabdenkmal befindet sich in der Niederessinger Kirche) kam Essingen in den Besitz seines Neffen Wolfgang von Dalberg, des Kurfürsten und Erzbischofs von Mainz. Dieser hätte als Kanzler des Heil. Römischen Reichs Deutscher Nation die Macht gehabt, den luth. Essingern seinen eigenen, kath. Glauben aufzuzwingen, hat dies aber in verdienstvoller und toleranter Weise nicht getan. Auch in seinem Mainzer Bistum ließ er die Protestanten unbehelligt.
Dies änderte sich aber unter seinem zweiten Nachfolger Johann Schweickart von Cronberg, der von l604 an auf dem Mainzer Stuhl saß. Nun waren viele ev. Pfarrer gezwungen, aus dem Kurmainzer Gebiet auszuwandern, wenn sie ihren Glauben behalten wollten. So kam auch der oben genannte Pfarrer Phyldius nach Essingen. Ihn und seine bereits erwähnten Nachfolger im Pfarramt ließ man hier vorerst noch ihren Dienst versehen. Der bayerische Herzog Maximilian befahl seinem Heidelberger Statthalter ausdrücklich „hierbei besonders Achtung zu geben, dass es nicht einer jählichen durchgehenden Reformierung der Pfalz gleich sehe“. Als sich jedoch die Kriegshandlungen des in Deutschland tobenden 30-jährigen Krieges in unser Gebiet verlagerten, mussten im Jahr l627 auch die ev. Pfarrer fliehen und wurden durch kath. Geistliche ersetzt.
Um das Ende des schrecklichen Krieges zu erflehen wurde ein allgemeiner Bettag auf Sonntag Kantate im ganzen Bistum Speyer gehalten. Aber erst ein Drittel der für die Bevölkerung (ob kath. oder ev.) so schlimmen Zeit war überstanden. Die Soldaten der verfeindeten Parteien plünderten, zerstörten und wüteten in unserer Heimat so entsetzlich, dass viele nur durch die Flucht das nackte Leben retten konnten. Dass dies in Essingen wirklich so schrecklich war, kann ein Brief beweisen, den ein Augenzeuge schrieb. Dieser Beamte hatte für seinen Dienstherrn, den Herrn Roist von Wers, den Besitzer des ehemals den Herren von Dahn gehörenden Hubhofes zu Essingen, die Abgaben der Bauern zu überwachen und schreibt, warum er keine Abgaben eintreiben konnte.
„Anno 1634 ist wegen des französischen Kriegsvolkes und dass die Essinger
Untertanen nicht zu Hause sein konnten, nichts zu erheben, weil aber anno l635 den ganzen Herbst durch, bis uf Weihnachten etliche Kompagnie kaiserlichen Kriegsvolks zu Essingen gelegen, und die Bauern sich anderwärts aufgehalten, die Ernte auf dem Feld stehen geblieben, war wieder nichts zu erheben. l635 bis 1642 bin ich jedes Jahr mit der Unmöglichkeit wegen Kriegswesens, Absterbens und Abwesenheit der Huber abgewiesen worden, weil in beeden Essingen nicht 20 Unterthanen gelebet.“
Soweit die Schilderung dieses Augenzeugen. Wie es in dieser schweren Zeit um Kirchen, Pfarrhäuser und Pfarrer stand, kann man sich aus dem Geschilderten vorstellen. Da der größte Teil der Pfarrbesoldung aus dem Zehnten bestand und während der schlimmen Kriegsjahre nichts einging, war es für die Lutheraner sehr schwer, einen eigenen Pfarrer zu erhalten. Diese Situation benutzte der Herr von Dalberg und gab den Essingern im Frühjahr 1641 einen kath. Pfarrer. Auf entsprechende Einwände beruhigte er die Protestanten mit der Erklärung: „Der neue Pfarrer wird euch sicher nichts Bößes lehren, er will euch nur in christlicher Liebe zum Guten anhalten“. Auf diesen Bekehrungsversuch ließen sich die Evangelischen nicht ein. Seit 1638 an Pfingsten gingen sie zu Pfarrer Trautmann nach Dammheim in die Kirche. Die Zahl der Essinger Abendmahlsgäste im Kirchenbuch von Dammheim spiegelt jedoch die Folgen des grausamen Krieges wider. Es waren an Pfingsten 1638 nur zwei, wahrscheinlich ältere Ehepaare, drei Witwen und ein Mädchen anwesend. Erst ab dem Jahr 1640 nahm die Zahl der Kirchenbesucher wieder zu. 1642 waren es an Pfingsten wieder 18 Männer und 22 Frauen und am Ende der Amtszeit des Pfarrers Martin Trautmann, an Ostern 1652, waren es 28 Männer und 31 Frauen.
Nach dem Westfälischen Frieden
Vier Jahre nachdem zu Münster und Osnabrück der Frieden geschlossen wurde fassten auch die Essinger Protestanten wieder den Mut, um einen eigenen evangelischen Seelsorger zu bitten. Schweden und Frankreich hatten zu Münster und Osnabrück durchgesetzt, dass der Religionszustand von 1624 wiederhergestellt werden sollte. Auf dem Nürnberger „Friedensexekutionskongress“ wurden dazu je zwei reichsfürstliche Kommissare aufgestellt, für Essingen der Bischof von Straßburg und der Landgraf von Hessen. Der Bischof ließ sich entschuldigen und an seine Stelle trat der Markgraf von Baden. Es kam zu langwierigen Verhandlungen beim oberrheinischen Kreistag zu Worms, wobei man sich nicht einigen konnte, ob die Katholiken 1624 schon eine Pfarrei gehabt hätten oder nicht. Der kath. Ortsherr, der Junker Eberhard von Dalberg, versuchte mit allen Mitteln die Installierung eines ev. Pfarrers zu verhindern und die Essinger durch übermäßig hohe Steuern zu drücken.
Dem Anwaltschultheiß Jerg Jost, der die Steuern unmöglich eintreiben konnte und sich weigerte, drohte Dalberg mit dem „Köpfspielen“. In seiner Not wandte sich der Anwalt an den seit 1649 wieder eingesetzten Kurfürsten zu Heidelberg Karl Ludwig, den Sohn des unglücklichen „Winterkönigs“ Friedrich V. und der Maria Stuart von England. Karl Ludwig, der den festen Willen hatte, über alle Religionsgegensätze hinweg, die zerstörte Pfalz wieder aufzubauen, schrieb einen scharfen Brief an Dalberg, „wonach er sich zu richten habe,“. Aber der Ortsherr lenkte nicht ein, weil er keinen ev. Pfarrer wollte. Die Essinger Protestanten wussten sich nach jahrelangen Versuchen einen Pfarrer zu bekommen nicht anders zu helfen als durch einen Bittgang nach Heidelberg. Im Jahr l657 gingen folgende 15 Essinger Protestanten zu ihrem „Leibs-, Grund- und Schutzherrn“, dem Kurfürsten Karl Ludwig, nach Heidelberg:
Johann Georg Stößel, Jacob Weigel, Christoph Rinck, Michael Zimmermann, Johann Jakob Weiß, Mathes Liebmann, Leonhardt Frankenstein, Johannes
Frankenstein, Peter Steber, Benedikt Artzheimer, Hans Durst, Johannes Lellen, Nicolaus Volz, Bernhard Dörr, Johannes Halbschultheiß.
Dieser Bittgang hatte Erfolg. Kurfürst Karl Ludwig, der am eigenen Leib erfahren hatte was sich aus Religionsstreit entwickeln konnte, ließ den aus Darmstadt gebürtigen neuen Pfarrer namens Hoffmann durch kurfürstliche Beamten mit „gewehrter Mannschaft“ in Essingen einsetzen.
Die Essinger Protestanten hatten also wieder einen eigenen evangelischen Pfarrer. Gleichzeitig noch einen kath. Pfarrer zu besolden war durch die Entvölkerung im 30-jährigen Krieg und der dadurch geringen Pfarrbesoldung aber nicht mehr möglich. Die Protestanten hatten also wie vor dem Krieg beide Kirchen und Pfarrhäuser, bzw. was davon noch übrig war, zu ihrer Verfügung. Die wenigen Katholiken gingen vermutlich nach Bornheim zur Kirche, und wenn die Ortsherrschaft anwesend war und einen Pfarrer benötigte, kam aus dem Augustinerkloster zu Landau ein Pater nach Essingen, um in der Schlosskapelle Gottesdienst zu halten. Dieser hat nicht hier gewohnt oder etwas von der Pfarrbesoldung erhalten. Dass dieser Zustand die Protestanten zufrieden stellte aber die Katholiken benachteiligte, war den Dalbergern ein Dorn im Auge, zumal die kath. Ortsherrschaft den Anteil der kath. Untertanen zu vermehren suchte. Dies führte in den kommenden Jahrzehnten immer wieder zu Streitigkeiten zwischen den beiden Konfessionen. Die Wendelinuskapelle hat sehr unter dem 30-jährigen Krieg gelitten, vor allem aber waren es die Menschen, die damaligen Essinger, die diese schlimme Zeit erlebt haben. Die Menschen, die überlebt haben, bauten das zerstörte wieder auf. Das wirklich schreckliche dabei ist, dass keine Lehren daraus gezogen wurden.
20 Jahre später, im Turennischen Krieg, war es schon wieder so weit. „Die obere Kirch war ganz ruiniert, und das obere Pfarrhaus von denen Soldaten bis aufs Fundament abgebrochen.“ Doch davon und von den vielen folgenden Streitigkeiten, die im Lauf der Jahrhunderte, vor allem in Verbindung mit weiteren Kriegen zwischen den Konfessionen stattfanden, soll an anderer Stelle berichtet werden.
Die Wendelinuskapelle in Essingen vom 18. Jahrhundert bis heute
Zusammengestellt von Günter Frech, Essingen – in Fortsetzung der Ausführungen von Wilfried Schweikart.
Die Lehensherrschaft der Dalberger endete im Zuge der Entwicklungen der Französischen Revolution und der kriegerischen Ereignisse Anfang der 1790er Jahre zwischen den Franzosen und den „Kaiserlichen“ auch in unserem Gebiet. Der letzte hier ansässige Dalberger Gottlob Amand, mit dem die Gemeinde seit Jahrzehnten in Rechtsstreitigkeiten lag (Waldprozess) kam bereits 1789 ins Gefängnis und nie mehr zurück. Durch Gesetz wurde Essingen im März 1793 neben anderen Gemeinden der Pfalz mit Frankreich vereinigt und die Güter der Herrschaft beschlagnahmt. Siehe auch:
„Essingen – Jahresringe eines Dorfes“, Band I, von Wilfried Schweikart.
Im Dorf bestanden zwei Kirchen, die simultan genutzt wurden. Dabei wurde die gegenüber dem ehemaligen Schloss liegende Hauptkirche auch von der Herrschaft genutzt. Dieses Kirchengebäude wurde in den 1780er Jahren baufällig und abgerissen. Der Wiederaufbau erfolgte mit Hilfe des Dorfherren 1789, wobei es zu umfangreichen Streitereien zwischen dem Dalberger, dem Kath. Pfarrer, den Protestanten und der Ortsgemeinde kam. Das Verschwinden des Dalbergers und die folgenden Entwicklungen führten auch dazu, dass der Ausbau der Kirche lange Zeit nicht endgültig fertiggestellt werden konnte. Es dauerte Jahre, z. T. Jahrzehnte bis die Innenausstattung und eine Orgel eingebaut waren, da besonders über die Position der Altäre heftig gestritten wurde. Letztlich erfolgte 1862 noch der Neubau des bis dahin stehengebliebenen, baufälligen Turms der ehemaligen Kirche.
Während dieser ganzen Zeit bestand die Wendelinuskapelle als kleine Filialkirche im oberen Ortsteil von Essingen, wo ebenfalls Gottesdienst abgehalten wurde und die auch simultan genutzt wurde. Mit Fertigstellung der großen neuen Kirche (die heutige Prot. Kirche), die Platz für die gesamte Gemeinde bot, hat man augenscheinlich ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts auf die Nutzung der Kapelle verzichtet. Möglicherweise hat man auch vor dem Hintergrund anstehender Renovierungsarbeiten zu diesem Zeitpunkt das Kirchlein profaniert (entweiht).
Die unzureichende Instandhaltung der Kapelle und die zeitweise Fremdnutzung als Stallung und Abstellraum führten in den folgenden Jahrzehnten zu umfangreichen Gebäudeschäden. In den 1960er Jahren zeigten die Dächer deutliche Schäden.
Es regnete dabei auch durch den Turm und zerstörte einen (zum Glück nur kleinen) Teil der Malereien (Zwickel). Da zu diesem Zeitpunkt keine Nutzungsmöglichkeit zu erkennen war, wurde auch über einen Abriss des schadhaften Kirchleins nachgedacht. Die Wiederentdeckung der Wandmalereien Ende Januar 1967 brachte dann neue Bewegung in die Diskussionen. Es dauerte jedoch Jahre, bis im Jahr 1972 mit der Gründung des St. Wendelinusvereins e.V. Essingen (ursprünglicher Vereinsname) Bewegung in die nun beschlossene Renovierung der Kapelle kam.
Im Außenbereich wurden zunächst die Fundamente freigelegt und entfeuchtet und die Schäden im Dach behoben. Nach dem Einbau neuer, einfacher Fenster und Entfernen des nördlichen Einfahrttores (s. Bild unten links) wurde der Innenbereich umfänglich erneuert und mit der Restaurierung der Malereien begonnen. In den 80er Jahren erfolgte die Neuanlage des Außenbereichs, in den 90er Jahren der Bau des Nebengebäudes mit Toiletten.
Offen blieb für längere Zeit die Nutzung des Gebäudes. Ab Mitte der 90er Jahre gab es erste Ausstellungen historischer Funde von Essingen und ab der Jahrhundertwende wurden auch wieder in der wärmeren Jahreszeit Gottesdienste, Taufen, Hochzeiten, Konzerte und Lesungen durchgeführt. Regional bekannt sind die jährlich am ersten Sonntag im Juli stattfindenden Konzerte des Händel-Orchesters Mannheim, die jeweils einen guten Zuspruch erfahren. Auch die Teilnahme am bundesweit stattfindenden Tag des offenen Denkmals brachte zuletzt besondere Beachtung.
In einem Vertrag von Anfang 1999 zwischen den Eigentümern, der Prot. Kirchengemeinde Essingen-Dammheim-Bornheim und der Kath. Kirchenstiftung Essingen sowie der Ortsgemeinde Essingen und dem Heimatverein St. Wendelinus e.V. Essingen, hat sich Letzterer verpflichtet, für die Unterhaltung der Kapelle Sorge zu tragen. In diesem Zusammenhang werden auch Veranstaltungen durchgeführt und Spenden eingesammelt. Besondere, auch überregionale Beachtung fand dabei das Abhängen der früheren „Nazi-Glocke“ und das Anbringen einer neuen Glocke nach Renovierung des Glockenstuhls.
Zwei Rheinpfalzartikel über die Geschichte der Wendelinuskapelle aus den Jahren 2021 und 2023