Die Chronologie der Naziglocke in der St. Wendelinuskapelle

2017  –  Erste Diskussionen über eine Naziglocke auch in der Essinger Wendelinuskapelle

Bericht über die
Glockenweihe in Essingen
im Landauer Stadt-Anzeiger
vom 20. Juli 1936.

2017  –  21. Okt.: Dachstuhlreinigung der Wendelinuskapelle durch Mitglieder des Heimatvereins

2018 im Nov. – Spendenaufruf: Ein neues Geläut für die simultane Wendelinuskapelle in Essingen

Wir,

Vertreter der protestantischen und katholischen Kirchengemeinden in Essingen, die politische Gemeinde und der Heimatverein St. Wendelinus, wollen wieder ein neues Geläut auf dem Turm der St. Wendelinus-Kapelle:

Sie soll nicht ohne Stimme bleiben, nachdem beschlossen wurde, die Glocke aus dem Jahr 1936 aufgrund ihrer nationalsozialistischen Aufschrift abzuhängen und als Dauerleihgabe dem Historischen Museum der Pfalz in Speyer zu übergeben.

Ehemals hingen im Turm zwei Glocken. Es ist unser großes Ziel, diesen Zustand wieder herzustellen. Die im 2. Weltkrieg eingeschmolzene größere Glocke trug die Inschrift: „Einer ist Euer Meister: Christus – Ihr alle seid Brüder“. Diese Inschrift soll auf dem neuen Geläut stehen und mit jedem Glockenschlag über unsere Heimat und unser Land hinausgetragen

werden als Bekenntnis zu den christlichen Grundwerten der Freiheit und Würde jedes einzelnen Menschen. Die Realisierung der zweiten Glocke ist noch nicht geklärt.

Gutachter hnabe jedoch Schäden am historischen Glockenstuhl festgestellt, die zuerst  behoben werden müssen, bevor darin wieder Glocken aufgehängt werden können.

Wenn Sie sich unser Projekt zu eigen machen oder uns unterstützen wollen, bitten wir Sie um eine Spende. Sie unterstützen damit nicht nur die Wiederherstellung des historischen Zustandes und geben unserer ökumenischen Kapelle wieder ihre hörbare Stimme, sondern bekräftigen damit auf besondere Weise auch das Bekenntnis zu einer freiheitlichen und auf christlichen Werten basierenden Grundordnung unserer Gesellschaft.

Wir bitten Sie herzlich um Ihre Spende!

2018  –  Rheinpfalz v. 20. Dez.: Naziglocken-Ende eingeläutet (von Andreas Schlick)

Essingen: Die Naziglocke im Turm der Wendelinuskapelle in Essingen soll kommendes Jahr abgehängt werden. Das haben Pfarrer Richard Hackländer und Ortsbürgermeisterin Susanne Volz gestern gegenüber der RHEINPFALZ erklärt. Inzwischen gibt es auch Fotos vom Geläut. Für die Sanierung des Glockenstuhls werden Spenden gesammelt.

 „Wir haben einen Zeitplan“, sagt Susanne Volz (FWG), Ortsbürgermeisterin von Essingen, gestern im Gespräch mit der RHEINPFALZ. Die Naziglocke im Turm der Wendelinuskapelle soll 2019 abgehängt werden. Sie trägt die Inschrift „Als Adolf Hitler Schwert und Freiheit gab dem deutschen Volk, goß uns der Meister Pfeifer Kaiserslautern“. Nun ist eine zweite Inschrift offenkundig geworden: „Den im Kampf um die nationale Erhebung gefallenen Deutschen zum Gedächtnis.“ Der Satz bezieht sich auf den Hitlerputsch von 1923 in München, auch bekannt als Marsch zur Feldherrenhalle, bei dem 16 Putschisten starben, die in der Nazizeit als „Blutzeugen der Bewegung“ verehrt wurden. Es sind auch erstmals Bilder des braunen Geläuts aufgetaucht (siehe Foto). „Wir wollen mit dem Abhängen der Glocke ein Zeichen gegen Angst und Fremdenhass setzen“, betont der evangelische Pfarrer Richard Hackländer. Die beiden Kirchengemeinden, denen die Wendelinuskapelle gehört, und der Wendelinusverein – er kümmert sich mit der Kommune um deren Unterhaltung – hatten sich nach Bekanntwerden der Nazi-Schriftzüge im vergangenen Jahr für das Abhängen der Glocke ausgesprochen. Sie gehört der Ortsgemeinde Essingen. Der Gemeinderat hatte sich Ende 2017 diesem Votum angeschlossen und dafür gestimmt, die Glocke als

Dauerleihgabe dem Historischen Museum der Pfalz in Speyer zu übergeben (wir berichteten).

Nach Angaben von Volz und Hackländer soll die alte Glocke im kommenden Jahr abgehängt werden. Anschließend wird der marode Glockenstuhl saniert. Wenn diese Arbeiten fertig sind, soll ein neuer Klangkörper zu Pfingsten eingesetzt werden. Der Glockenturm sei aus Sicherheitsgründen derzeit nicht zugänglich, heißt es. Derweil haben Fachfirmen Angebote eingereicht. Demnach wird die Sanierung des Glockenstuhls rund 17.000 Euro kosten, der Preis für eine neue Glocke wird sich auf rund 10.000 Euro belaufen. Die Kosten für den neuen Klangkörper übernimmt die Evangelische Landeskirche.

Zur Finanzierung der Glockenstuhlrenovierung hat der Wendelinusverein eine Spendenaktion gestartet. „Es wird auch Benefizveranstaltungen geben“, sagt Hackländer. Geplant seien etwa ein Fußballspiel zwischen den „Pälzer Parre“ und einer Bürgermeistermannschaft, eine Lesung des Mundartdichters Wilfried Berger und ein Vortrag eines Historikers rund um die Geschichte der Glocke. „Uns geht es darum, die Wendelinuskapelle zu erhalten. Sie ist das wohl älteste Bauwerk in Essingen.“

Recherchen der RHEINPFALZ hatten die Debatte um die Glocke im August 2017 ins Rollen gebracht. Grundlage war ein Buch des Pfarrers und Historikers Bernhard Bonkhoff. Die Glockenbeauftragte der Landeskirche, Birgit Müller, hatte anschließend ein Gutachten zur Essinger Glocke erstellt und empfohlen, diese zu entfernen.

„Im Dorf hat es wegen der Entscheidung, die Glocke abzuhängen, keinen Zwist gegeben“, sagt Hackländer. Aber natürlich sei das Geläut Gesprächsthema gewesen. Viele hätten eine emotionale Verbindung zum Klang der Glocke, sie erinnere Menschen an Hochzeiten oder Taufen. „Außerdem wird die Glocke per Hand geläutet, das ist etwas Besonderes“, sagt der Pfarrer. Deshalb falle der Abschied manchen schwer. „Dennoch haben wir uns gemeinsam und aus Überzeugung für das Abhängen entschieden.“ Volz ergänzt, es habe anfangs natürlich Stimmen Für und Wider gegeben, in der Zwischenzeit sei die Diskussion jedoch abgeebbt. Klar sei, dass der Glockenstuhl sowieso hätte saniert werden müssen, weil Gutachter Mängel festgestellt hätten. Deshalb werde die Glocke seitdem auch nicht mehr geläutet. Die Menschen hätten jedoch Interesse an der Glocke, wollten sie sehen. Daher befürworte sie die Leihgabe ans Historische Museum. Dort könne das Geläut ausgestellt und dessen Geschichte von Wissenschaftlern erforscht und beschrieben werden.

Die neue Glocke soll dann an Pfingstmontag mit einem ökumenischen Gottesdienst zum Gedenken der Opfer des NS-Regimes eingeweiht werden.

Spende:  Spenden für die Renovierung des Glockenstuhls der Wendelinuskapelle nimmt der Heimatverein St. Wendelinus entgegen. Sparkasse Südliche Weinstraße, Iban: DE39 5485 0010 0000 0707 55, oder VR-Bank Südpfalz, Iban: DE02 5486 2500 0006 0065 23. Auf Wunsch werden Spendenbescheinigungen ausgestellt.


Die 1936 gegossene Glocke trägt unter anderem die Inschrift „Den im Kampf um die nationale Erhebung gefallenen Deutschen zum Gedächtnis“.
Inschrift: „Als Adolf Hitler Schwert und Freiheit gab dem deutschen Volk, goß uns der Meister Pfeifer Kaiserslautern.“

2019  –  Rheinpfalz v. 13. Juli

2019 im Juli  –  Endbericht von Günter Frech:  Die neue Glocke der Wendelinuskapelle

Im Zuge der etwa zwei Jahre anhaltenden Diskussionen und der umfangreichen Presseberichte über die sogenannte „Hitler-Glocke“ in der Wendelinuskapelle hat die Ortsgemeinde Essingen im Einvernehmen mit den beiden Kirchengemeinden und dem Heimatverein St. Wendelinus e.V. in 2018 entschieden, die Glocke abzuhängen und durch eine neue zu ersetzen.

Im Zuge der Vorbereitungen wurde ersichtlich, dass der Glocken- und Dachstuhl deutliche Beschädigungen aufwies und zunächst repariert werden musste. Vor diesem Hintergrund mussten Erhebungen über Schäden, Reparaturkosten und deren Finanzierung vorgenommen werden. Als günstigster Anbieter für die Arbeiten ging die Firma Sommerauer aus unserem Nachbarort Bornheim hervor, die die Arbeiten im Frühjahr 2019 ausführte. Die Finanzierung erfolgte über eine erfolgreiche Spendenaktion und wurde vom Heimatverein beauftragt.

Für die neue Glocke wurde durch die Prot. Landeskirche die Finanzierung bereitgestellt.
Dadurch konnte diese Anfang 2019 bestellt werden.

Der Glockenguss erfolgte am Freitag, den 28.06. bei der Fa. Bachert Glockengießerei (Neunkirchen/Baden). Interessierte Personen aus Essingen und Umgebung haben diesem Ereignis beigewohnt.

Die Anlieferung der Glocke erfolgte am 12.07.2019. Mit Hilfe eines Krans wurde die alte Glocke (verpackt) aus dem Turm gehoben und die neue Glocke in den Turm eingebracht. Eine Vielzahl von Besuchern wohnte diesem Ereignis bei. Pfarrer Klaka und Pfarrer Gingerich haben zuvor eine kleine Andacht abgehalten und die Glocke zu ihrem Dienst gesegnet. Die alte Glocke wurde nach Rücksprache mit den beiden Kirchengemeinden und dem Heimatverein aufgrund der Entscheidung des Gemeinderats als Dauerleihgabe ins Historische Museum der Pfalz (Speyer) verbracht.

Am 18.07.2019 wurde die Glocke mit einem Joch versehen und aufgehängt. Während eines schönen Festgottesdienstes am Sonntag, den 21.07. konnte die Indienststellung vorgenommen werden und die Glocke wurde erstmals geläutet. Dieses besondere Ereignis wurde anschließend gebührend gefeiert.